Geschichtlicher Überblick



Schweizer Verbindungen an der Albertina im 19. Jahrhundert

 

Die Stadt Freiburg im Breisgau war aufgrund seiner grenznahen Lage seit der Gründung der Albertina 1457 ein beliebter Studienort für Studenten aus der Eidgenossenschaft. Insbesondere nachdem sich die Universität Basel - zu dieser Zeit die einzige Universität innerhalb der Eidgenossenschaft - 1529 der Reformation zuwandte, wurde die Albertina zu einer der wichtigsten Bildungsstätten für die katholische Schweiz. So erstaunt es nicht, dass sich bereits unter den ersten Korporationen an der Albertina eine „Landsmannschaft Helvetia“ finden lässt. Diese Helvetia (I.) erklärte sich am 27. November 1815 zum Corps und bildete gemeinsam mit der Rhenania und Suevia den Freiburger Seniorenconvent. Zudem bestand ein Kartell mit den Schweizer Corps in Heidelberg und Tübingen.

 

Neben dem Corps Helvetia I. konstituierte sich 1816 ein kurzlebiger „Schöngeistiger Verein Harmonie“, dem ebenfalls grossmehrheitlich Studenten aus der Schweiz angehörten. 1820 wurde ein der Freiburger Burschenschaft nahestehender „Schweizerverein“ ins Leben gerufen, der 1821 zur Sektion des Schweizerischen Zofingervereins erklärt wurde. Infolge der Karlsbader Beschlüsse mussten die Verbindungen allerdings bereits 1822 resp. 1823 wieder suspendiert werden. 

 

Nach der Sistierung des alten Corps Helvetia I., gelang zwischen 1827 und 1830 eine Neugründung (Helvetia II.), welche sich jedoch 1832 in zwei Lager spaltete. Grund des Zerwürfnisses waren Uneinigkeiten bezüglich der Ausrichtung der Verbindung: Wollte die Mehrheit ("Helvetia prima") an der althergebrachten landsmannschaftliche Ausrichtung der Verbindung festhalten, forderte eine Minderheit ("Helvetia secunda") die Orientierung an den Idealen der Burschenschaften. Zeitgleich konstituierte sich 1832 ein „Schweizerbund“, welcher sich jedoch bald der „Helvetia prima“ anschloss. Kurze Zeit später löste sich die „Helvetia secunda“ auf, womit wieder eine Einheit unter den Schweizer Korporationen hergestellt wurde. Die Einigkeit war jedoch nur von kurzer Dauer. So entflammte der Konflikt 1834 erneut und führte schliesslich zur Auflösung der Helvetia II. 1837/38 wurden zwei kurzzeitige Reaktivierungen der Helvetia (III. und IV.) vorgenommen, die jedoch jeweils nur von kurzer Dauer waren. Am 7. August 1843 - und damit rund vier Monate vor der Gründung der Freiburger Sektion des Schweizerischen Studentenvereins - gab die Helvetia IV. bei der Universität ihre Sistierung bekannt.

 

In den 1850er Jahren konstituierte sich auf der Grundlage dieser Helvetia IV. erneut eine „Landsmannschaft Helvetia“, der zunehmend auch die Mitglieder der StV-Sektion beitraten und diese zeitweise gar dominierten. Die Landsmannschaft Helvetia sollte indessen bis 1884 bestehen und bildete einen überparteilichen Zusammenschluss des Schweizerischen Studenten auf dem Hochschulplatz Freiburg.

 Die Landsmannschaft Helvetia Freiburg i.Br. um 1860


Gründung und Etablierung der „Sektion Freiburg i. Br.“

 

Obwohl der Schweizerische Studentenverein bereits seit 1841 als Zentralverband bestand, wurde erst im Spätsommer 1843 damit begonnen, eigentliche Ortssektionen zu gründen. Nach der erfolgreichen Gründung von Sektionen in Freiburg i. Ue., Schwyz und Luzern erfolgte am 4. Dezember 1843 mit der Gründung der Sektion Freiburg i. Br. die erste Gründung einer akademischen Sektion. Treibende Kraft hinter der Gründung war Josef Gmür (1821-1882, genannt „Papa Gmür“), der bereits drei Monate zuvor zum Zentralpräsidenten des Schweizerischen Studentenvereins gewählt worden war und der jungen Freiburger Sektion als erster Senior vorstand. Bereits 1845 musste die Sektion mangels Aktivmitglieder kurzzeitig suspendiert werden. 1847 stellte die Sektion mit Alois Lütolf (1824-1879) nicht nur den Zentralpräsidenten sondern auch vier weitere Mitglieder des Zentralkomitees.


Die Wappen der acht katholischen Studentenverbindungen der Universität Freiburg i. Br., Ausschnitt aus einer Couleurkarte, um 1900.


Von der Sektion Freiburg im Breisgau zur Helvetia Friburgensis (1848-1915)

 

Nachdem sich die Generalversammlung des Schweizerischen Studentenvereins 1850 in Zug für das rot-weiss-grüne Band als gemeinsames Vereinszeichen ausgesprochen hatte, wurden diese Farben auch von der Sektion Freiburg i. Br. übernommen. 1863 und 1865 stellte die Sektion mit Kaspar Zimmermann und Franz Blum zwei weitere Zentralpräsidenten. An der Generalversammlung des Schweizerischen Studentenvereins 1873 in Zug stellte sich die Sektion Freiburg i. Br. gemeinsam mit den Sektionen Bern (später AKV Burgundia) und Basel (später AKV Rauracia) vergeblich gegen die Einführung des Katholitätsprinzips. Gemäss ihrer Ansicht sollte der Schw. StV. auch weiterhin ein konfessionsübergreifender Verband gläubiger Christen gegen den fortschreitenden Atheismus und Radikalismus sein. Im gleichen Jahr erfolgte die Umbenennung der "Sektion Freiburg i. Br." in „Helvetia Friburgensis“, musste kurz danach jedoch erneut suspendiert werden, wobei diese Suspendierung ganze 22 Jahre andauern sollte! Nur wenige Jahre später musste indessen auch die Landsmannschaft Helvetia ihren Aktivbetrieb einstellen und wurde schliesslich 1880 sistiert, wobei die Verbindungsutensilien veräussert wurden. Nach der Reaktivierung der Helvetia Friburgensis 1895 setzte sich diese als Rechtsnachfolgerin der alten Landsmannschaft für die Rückgabe der Verbindungsutensilien ein, welche in der Zwischenzeit in den Besitz mehrerer Schweizer Verbindungen übergegangen waren. Zur Klärung der Besitzverhältnisse wurde 1908 gar ein Schiedsgericht eingesetzt, welches jedoch nur geringfügige Erfolge verzeichnen konnte, weshalb sich die bedeutendsten Stücke und das Archiv noch heute im Besitz anderer Verbindungen befinden. 1896 konnte die Helvetia ihre erste Fahne weihen, dies, nachdem die alte Fahne der Landsmannschaft Helvetia 1884 gemeinsam mit dem Archiv an die Sektion Zürich (später AV Turicia) gelangt war. 1898 entschied man sich für die Einführung einer weinroten Samtmütze mit Schweizerkreuz, welche bis heute gebräuchlich ist. In diesen Jahren setzte sich die Helvetia massgeblich für die Bildung eines allgemeinen Korporationsausschusses auf den Hochschulplatz Freiburg ein, in welchem sämtliche Korporationen, unabhängig von ihrer couleurstudentischen Ausrichtung Einsatz nehmen sollten. Die Helvetia nahm dabei eine Mittlerfunktion zwischen den schlagenden Corps und den nichtschlagenden konfessionell geprägten Verbindungen ein.

 

Mit der Reaktivierung der Helvetia Friburgensis bestand das Bedürfnis die Altherren und Ehrenphilister der Verbindung erstmalig in einem eigenständigen Verband zu organisieren, weshalb am 26. September 1901 die Gründung der sog. „Althelvetia“ erfolgte. Anlässlich des 62. Stiftungsfestes vom 5. Juni 1905 konnte der Aktivitas von Seiten der Althelvetia ein neues Banner überrecht werden. Dieses wurde, nachdem es nach dem 2. Weltkrieg als verschollen galt, 1998 im Archiv der AKV Rauracia Basel wiederentdeckt und anlässlich des Zentralfestes 1999 in Sursee der AV Helvetia Freiburg i.Br. zurückgegeben.

 Aktivitas der AV Helvetia Friburgensis, um 1890


Die AV Helvetia Freiburg i.Br. (ab 1915)

 

Nachdem bereits 1889 die Gründung der katholisch geprägten Universität Freiburg i. Ue. erfolgt war, beschloss die Helvetia Friburgensis sich künftig zur besseren Unterscheidung von den dort Ansässigen Verbindungen „Helvetia Freiburg i. Br.“ zu nennen.

 

Die Kriegsjahre gingen auch an der Helvetia nicht spurlos vorbei, wobei der Aktivbetrieb der zahlenmässig stets kleinen Verbindung mehrfach kurzzeitig eingestellt werden musste. Anlässlich des 85. Stiftungsfestes konnte am 25. Juni 1928 in der Konviktskirche Freiburg ein neues Banner geweiht werden, das von der Aktivitas bis heute geführt wird:

Im Zuge der zunehmend korporationsfeindlichen Politik des NS-Regimes musste auch die AV Helvetia Freiburg i. Br. 1933 ihren Aktivbetrieb einstellen, wobei die Suspendierung ganze 20 Jahre, nämlich bis 1953 andauern sollte. Am 26. und 27. September 1943 konnte in Luzern das 100. Stiftungsfest gefeiert werden . Dies ist insbesondere auf den Umstand zurückzuführen, dass viele Helveter aus der Region Luzern stammten oder am dortigen Priesterseminar St. Beat ihr Theologiestudium fortsetzten. Noch heute ist die Stadt Luzern der traditionelle Tagungsort der Generalversammlung der Althelvetia.

 

Nachdem die Stadt Freiburg in der Nacht vom 27. auf den 28. November 1944 nach einem Bombenangriff fast vollständig zerstört wurde, startete die Althelvetia eine Spendenaktion, welche insbesondere den in Freiburg ansässigen Ehrenphilistern und deren Familien zugutekommen sollte. Weiter startete die Althelvetia im März 1945 unter Leitung von Gallus Gmür v/o Most, einem engen Freund des Freiburger Rektors Arthur Allgeier (Ho!), eine Spendenaktion, die insbesondere dem Wiederaufbau der Stadt und der Universität zugutekommen sollte. Zudem wurden Plätze für Freiburger Kinder in der Schweiz vermittelt. Nach Beendigung des Krieges startete der Schweizerische Studentenverein eine gezielte Hilfsaktion, um den befreundeten Verbänden im Ausland, insbesondere dem CV und ÖCV bei der Wiederbegründung zu helfen. Nicht wenige Verbindungen des Schw. StV. gingen in dieser Zeit Freundschaftsverhältnisse mit CV- und ÖCV-Verbindungen ein, welche bis heute fortwirken. Auch die enge Verbindung der AV Helvetia mit der KDStV Hohenstaufen ist auf diese Zeit zurückzuführen .

 

1952 wurden erste Schritte unternommen, in Freiburg wieder eine Aktivitas entstehen zu lassen. Anlässlich der Generalversammlung der Althelvetia 1953 erteilte diese dem Waldstätter Fritz Dommann v/o Setzlig den Status eines aktiven Helveters. Die eigentliche Reaktivierung der Aktivitas erfolgte jedoch erst im Sommersemester 1955, wobei ihr Setzlig als erster Senior vorstand . Nur wenige Monate nach der Reaktivierung erhielt die AV Helvetia als erste Verbindung auf dem Hochschulpatz Freiburg die offizielle Anerkennung durch den Rektor der Albert-Ludwigs-Universität. Dies als Dank für die geleistete Hilfe nach der Bombardierung der Stadt 1944. Als besonderes Privileg durften sich die Chargierten der Verbindung fortan jedes Semester beim Rektor und dem Erzbischof vorstellen. Zudem wurde der Helvetia von den übrigen Freiburger Verbindungen ein Vorgrüssrecht eingeräumt, womit die Helvetia eine besondere Ehrenstellung unter den Korporationen zukam. Im folgenden Jahrzehnt bestand eine stabile Aktivitas, wobei die meisten Mitglieder jedoch nur ein bis zwei Semester an der Albert-Ludwigs-Universität verbrachten und anschliessend für den Studienabschluss wieder an eine Schweizer Hochschule oder ein Priesterseminar zurückkehrten. In den 1960er Jahren gingen die Mitgliederzahlen jedoch stetig zurück.

 

1971 wurde beschlossen, die Verbindung künftig auch für Frauen zu öffnen. Dies, nachdem der Schweizerische Studentenverein bereits 1968 eine entsprechende Statutenänderung vorgenommen hatte. Damit wurde die AV Helvetia zur ersten gemischten Studentenverbindung auf dem Hochschulplatz Freiburg i. Br. Dennoch musste die Aktivitas 1975 erneut suspendiert werden. Erst in den späten 80er Jahren wurde eine Reaktivierung der Verbindung ins Auge gefasst, welche im Wintersemester 1992/93 realisiert werden konnte, ehe die Aktivitas 2001 erneut suspendiert werden musste. Im Hinblick auf das 170-jährige Jubiläum der AV Helvetia wurde 2013 eine erneute Reaktivierung der Aktivitas vorgenommen. Im November 2015 bestand die AV Helvetia Freiburg i.Br. aus 52 Altherren und -damen und zwei Aktiven.